August Kochanek

Volkshochschuldirektor von 1948 - 1960
Ein Porträt

Der erste offiziell vom Land eingesetzte Direktor der neu gegründeten Volkshochschule im Osthavelland war August Kochanek. Am 1.4. 1948 übernahm der das Amt und übte es bis 1960 aus. Vor ihm hatte es offenbar nur ehren- oder nebenamtliche Leiter wie den pensionierten Falkenseer Lehrer Dr. Petrelli und den Leiter des Nauener Volksbildungsamtes Jäkel gegeben.

In einem selbstverfassten Lebenslauf beschreibt sich Kochanek als Mann aus einfachsten Verhältnissen, der sich vor allem durch seinen Bildungswillen und die parteipolitisch richtige Gesinnung für den neuen Posten qualifizierte. Gelegentlich muss er wohl damit zu kämpfen gehabt haben, dass ihm als Nicht-Pädagogen die notwendige Anerkennung als Volkshochschul-Direktor versagt blieb. Er selbst zitiert in einem Vermerk eine ungenannte Quelle, die ihn der „Nicht-Intellektualität“ geziehen habe.

Als zweitjüngstes von 13 Kindern einer ostpreußischen Bauernfamilie geboren, besuchte August Kochanek „vom 6.-14. Lebensjahr (…) die dreiklassige Volksschule zu Stabigotten / Ostpr., welche nicht große Kenntnisse vermitteln konnte. Bis zum 15. Lebensjahr war ich bei meinem Vater in der Landwirtschaft tätig. Am 1. August 1913 trat ich bei der Firma Adolf Fischer in Allenstein /Ostpr. - Kolonialwaren, Einzel- und Großhandel - als Lehrling ein und beendete meine Lehre am 1. Februar 1918. in dieser Zeit besuchte ich die Fortbildungsschule.“

In den letzten Kriegsmonaten noch einberufen, arbeitete Kochanek nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches zunächst in der elterlichen Landwirtschaft und als Waldarbeiter, dann von 1921 bis 1923 im Ruhrgebiet als Berg- und Stahlarbeiter. In gewerkschaftlichen Bildungszirkeln „lernte ich zum erstenmal die Arbeiterbewegung im Industriegebiet und ihre Literatur kennen und kam mit der materialistischen Philosophie und Dialektik in Berührung.“ Wegen der Ruhrbesetzung zurück nach Ostpreußen gegangen, begann Kochanek dann in der Spandauer Siemensstadt 1925 als Arbeiter und später Angestellter im Betriebswerkstattbüro eine langjährige Beschäftigung bei Siemens.

In dieser Zeit organisiert er sich auch politisch und gewerkschaftlich, tritt den Jungsozialisten und 1928 in Falkensee der KPD bei. Gleichzeitig nimmt August Kochanek so viele Bildungsgelegenheiten wahr, wie es ihm neben der Arbeit möglich ist, in der Berliner Humboldthochschule, der Urania und bei der Gewerkschaft. 1933 kurzzeitig von den Nazis verhaftet und „nach Mißhandlungen und Verhören im SA-Keller in Falkensee“ wieder freigelassen, zieht er sich nach Ostpreußen zurück und entgeht am Ende den Nachstellungen der Falkenseer SA, indem er nach Spandau zieht. Von 1934 bis 1945 war Kochanek als Lohnbuchhalter in den Siemens-Flugmotorenwerken, später BMW beschäftigt. Die Kontakte zur KPD hielt er weiterhin, auch als sein Neffe 1939 verhaftet und in der Prinz-Albrecht Straße in Berlin ermordet wurde.

1945 wurde er zunächst Betriebsratsvorsitzender im Spandauer BMW-Werk, dann Geschäftsführer des Zühlsdorfer BMW-Werkes, bis dieses als „Kriegsproduktionsstätte“ geschlossen wurde. So kam August Kochanek „am 15. Juni 1946 (…) zur Stadtverwaltung Nauen als Museumsleiter und
habe in dieser Eigenschaft das Heimatmuseum bis zum 1. April 1948 hauptamtlich und von da an bis zum März 1949 ehrenamtlich geleitet.“
In dieser Funktion holte er für die Zeit bemerkenswerte Kunstausstellungen nach Nauen, darunter eine Schau mit Bildern des Berliner Milieu-Malers Otto Nagel. Bereits im Amt als VHS-Direktor besucht Kochanek selbst die Kreisabendschule, um seinen eigenen Bildungsstand zu verbessern.

August Kochanek hat als Direktor die Volkshochschule durch schwierige Aufbau- und Umbruchzeiten gesteuert. Generell musste die Erwachsenenbildung in der jungen Republik erst ihren Platz und ihre Funktion finden. Die vom Staat zugewiesenen Aufgaben schwankten zwischen einerseits ideologischer und andererseits beruflicher Ausrichtung. Nachholende Bildung für „Arbeiter und Bauern“ bedeutete sowohl die Aufbesserung der Schulbildung als auch eine Nachjustierung beruflichen Fachwissens für die im Aufbau befindliche Industrieproduktion. So lag einige Jahre lang ein besonderes Augenmerk auf der Gründung von Betriebs-Volkshochschulen, die sich bald verselbständigten.

Anfang der 1950er Jahre war eine erste Kreisgebietsreform zu meistern. Acht ländliche Außenstellen der VHS in Rathenow wurden an die Nauener Nachbareinrichtung übergeben. In den in diesem Zusammenhang entstandenen Berichten über die Bildungsarbeit auf dem Land lässt sich einiges Ernüchternde über die Resonanz der Angebote bei der einfachen Bevölkerung erkennen. Ausführlich ist diese Episode hier auf unserer Webseite geschildert.

In einem Redemanuskript aus der Zeit kurz nach seinem Dienstantritt hat August Kochanek die Lage für seinen Zuständigkeitsbereich gut auf den Punkt gebracht: „Seit 2 ½ Jahren besteht die Volkshochschule Nauen, aber gerade aus den Kreisen der Arbeiterschaft, der Werktätigen, ist die Hörerzahl sehr gering, man kann beinahe sagen überhaupt an der Volkshochschule nicht vorhanden.“ Wohl an seine Zuhörer gewandt, richtete Kochanek dann im April 1948 den Appell: „Ich habe eine Bitte: die Gewerkschaften, Parteien, demokratische Organisationen müssen es sein, die die Werbung vollziehen. Denn gerade diese sind es, die bestrebt sein müssen, in ihren Reihen aufgeschlossene Kräfte zu haben, Aktivisten des Fortschritts, um den Anspruch als führende Schicht des Volkes zu gewährleisten.“

Nach Mitte der 1950er Jahre wurden vom Staat größere Veränderungen im Bildungswesen vorgenommen. Die berufliche Orientierung wurde jetzt immer mehr außerhalb der VHS organisiert, die sich nun verstärkt um nachholende Schulabschlüsse kümmern sollte. Im Programmheft 1956/57 der Volkshochschule Nauen schimmern die Auswirkungen auch auf unsere Region durch. Dort sind unter der Überschrift „Lehrgänge, die aus dem Aufgabenbereich der Volkshochschule herausgelöst und in andere Verantwortungsbereiche eingegliedert wurden“ aufgezählt:

„1. Alle fachlichen Qualifizierungslehrgänge für die Landwirtschaft (…)

2. Zuschneide-, Näh- und Kochkurse (…)

3. Lehrgänge zur Ausbildung und Qualifizierung von Buchhaltern und Bilanzbuchhaltern der volkseigenen und genossenschaftlichen Wirtschaft (…)

4. Qualifizierungslehrgänge für Kesselwärter (Heizer) (…)“

In der Zeit von 1948 bis 1950 verzeichnete die Kreisvolkshochschule Osthavelland einen Anstieg der Hörerzahlen von 655 Personen 1948 bis auf 2.786 Teilnehmer im Frühjahr 1950. Zu dieser Zeit gab es nicht nur einen Lehrbetrieb in Nauen und Falkensee, sondern auch Außenstellen in Velten, Hennigsdorf (Betriebsvolkshochschule), Staaken und Leegebruch sowie bei den Maschinen-Ausleihstationen Falkenrehde, Zeestow, Flatow und den Volkseigenen Gütern Markee, Hertefeld, Lietzow, Wansdorf, Ribbeckshorst, Dechtow und Paretz. 1951 wurde in Hennigsdorf im Beisein des Volksbildungsministers Horst Brasch feierlich die erste Abendoberschule im Kreis eröffnet. 1952 überschritt die Teilnehmerzahl der VHS erstmals die 5000er-Marke.

Ein enormer Auf- und Umbauwille ist in den VHS-Aktivitäten jener Jahre und eben auch im Engagement des ersten Direktors der VHS Osthavelland zu erkennen. Eingepasst in den Duktus der sozialistischen Aufbauzeit wandte sich Kochanek in einer Ansprache 1950 an die Arbeiter im Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, wo er eine Betriebsvolkshochschule eröffnet hatte:

„Wir Arbeiter, ob Mann oder Frau, wir wollen keine Handlanger sein, sondern verantwortungsbewusst denkende Menschen, die die Erkenntnis haben, dass nur der Arbeiter die Menschheit befreien kann, wenn er sich selbst befreit, geistig und materiell. Die Volkshochschule nun will dem Arbeiter, dem Werktätigen helfen, sich weiterzubilden.“

Unterhalb dieser hochtönenden Ebene war ihm dann aber die ganz praktische Nutzenanwendung des vermittelten Wissens wichtig - ein einfacher emanzipatorischer Ansatz, den man heute in der Erwachsenenbildungsarbeit auch noch unterstreichen könnte. Kochanek spricht dabei die Arbeiter direkt an: „Ihr wisst ja, nicht nur die rohe Kraft ist beim Arbeiten massgebend, sondern wenn man die geistige Betrachtung, das heisst die Theorie, mit der praktischen Arbeit in Verbindung bringt, wird man mehr schaffen, eine qualitativ bessere Arbeit leisten, sich die Arbeit erleichtern. (…) Die Volkshochschule ist eine Schule für Erwachsene auf freiwilliger Basis und ist bestrebt, die Wissensvermittlung lebendig zu gestalten, d.h. Wissenschaft in lebendiges Leben zurückzuverwandeln.“

1960 wurde August Kochanek von einer Krankheit gezwungen, in vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Er starb am 16.8.1985, knapp vor seinem 85sten Geburtstag. Nach seinem Ausscheiden wurde Karl Mayerhofer Direktor der Kreisvolkshochschule Nauen. Sein Nachfolger war Günther Hänel, der bis zu seinem Tod 1985 im Amt war. Es kamen und gingen in schneller Folge Gerd Köppen (1985-86), Eva Sorge und Elke Heimann, bis am 1.9.1988 Erhard Beer das Amt übernahm und es auch nach der Fusion mit der Volkshochschule Rathenow in der Gesamteinrichtung VHS Havelland bis 2005 ausübte.

Dr. Frank Dittmer