Erhard Beer

 

Leiter der Volkshochschule Havelland von 1988 - 2005
Ein Porträt

Über 40 Jahre war Erhard Beer als Lehrer aktiv, bevor er 2007 in den Ruhestand ging. Jetzt, mehr als zehn Jahre später, schaut der aktive Siebziger manchmal fast ein wenig erstaunt auf seine Pädagogen-Karriere zurück, die auch 17 Jahre Volkshochschulleitung umschließt. Viele glückliche Zufälle haben seinen Lebensweg bestimmt, sagt er heute. Vielleicht hat aber auch sein Charakter ein wenig mitgeholfen: „Ich bin eben ein neugieriger Mensch...“

Dabei hat alles nicht ganz so glücklich angefangen. Geboren 1943 in Buk, einem 3000-Seelen-Städtchen in der heute polnischen Provinz Posen, wurde Erhard Beer nach Kriegsende umgesiedelt. Mit Mutter, Oma und Schwester kam er, „nur mit einem dreckigen Taschentuch in der Tasche“ auf dem Handwagen nach Schwanebeck. Hier erhielten die Eltern Bodenreformland, ein Wohnhaus mit Stall wurde gebaut.

Seine Bildungskarriere begann in der vierklassigen Einraum-Dorfschule, bevor er zur fünften Klasse nach Falkensee eingeschult wurde. Hier gab es auch schon erste Berührungen mit der Volkshochschule: eine Bekannte der Familie nahm den Schüler öfter zu VHS-Lichtbildervorträgen nach Spandau mit.

Der Berufsberater will aus Erhard Beer einen Bahnbeamten machen. Da kommen wieder Zufall und Neugierde zu Hilfe: Der Abiturient begleitet im Jahr des Mauerbaus einen Schulfreund zur Lehrer-Aufnahmeprüfung nach Potsdam, nimmt spontan teil und erhält sofort einen Studienplatz. Die fertige Unterstufenlehrer-Ausbildung mit Musikschwerpunkt schon in der Tasche und bereits als Lehrer im Kreis Lübben tätig, schließt Beer bis 1969 noch ein Fernstudium in Mathe und Physik an.

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt 1981. Erhard Beer bewirbt sich an die hiesige Lessingschule, unterrichtet stattdessen aber eine Zeit lang in Schönwalde und erhält schließlich wiederum eher zufällig das Angebot, am Zweiten Bildungsweg der Volkshochschule Mathelehrer zu werden. Das passt, denn bei der abendlichen Arbeitszeit bleibt tagsüber genügend Zeit, in Haus und Hof zu bauen und zu wirtschaften.

Von hier bis zur Volkshochschule war es nur noch ein kleiner Schritt. 1984 geht der stellvertretende Volkshochschulleiter in Ruhestand. Erhard Beer übernimmt seinen Bereichsleiter-Posten und organisiert neben dem Schulabschluss-Unterricht das Programm für Mathematik und Technik an der VHS, auch den sich neu entwickelnden Computerbereich. 1988 dann wird der Leitungsposten vakant, den man Beer im September, ein Jahr vor der politischen Wende, auf seine Bewerbung hin überträgt.

In DDR-Zeiten war die VHS-Arbeit stark auf betriebliche Weiterbildung konzentriert, z.B. Arbeitsschutzlehrgänge für Betriebe, und auf das nachträgliche Vermitteln von Schulabschlüssen. Die heutige Orientierung an Freizeitbedürfnissen oder persönlichen Interessen war eher selten. Exotischere Lehrgänge wie die „Discjockey-Prüfung“, die einen starken Zulauf hatte, blieben die Ausnahme. Dennoch: Da die VHS offiziell ja einen staatlichen Auftrag wahrnahm, wurde sie in der Ausgestaltung ihres Angebotes doch einigermaßen in Ruhe gelassen und im Rahmen der - manchmal etwas überschaubaren - Möglichkeiten unterstützt.

Im Vergleich der Systeme haben die DDR-Verhältnisse das Kollegium vielleicht etwas mehr zusammengeschweißt als heute, meint Erhard Beer. Als die VHS ihren Standort noch in der Baracke am Gutspark hatte, musste beispielsweise die gesamte Kollegenschaft eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn antreten, um mit der Schubkarre Kohlen in alle Klassenzimmer zu transportieren und die Öfen zu heizen. So stark getrennt wie heute waren damals Berufsleben und private Kontakte noch nicht, im Kollegenkreis ging es schon auch mal gesellig zu.

Die Zeit nach 1989 war dagegen zunächst von großer Unsicherheit über den Fortbestand und die Organisationsform der staatlich organisierten Erwachsenenbildung geprägt. Einerseits gab es eine große Aufbruchsstimmung: der technikbegeisterte Beer konnte sich in West-Berlin Rechnertechnik besorgen, um das Computerkabinett neu auszustatten. Das Privatauto quoll so von Rechnern über, dass er kaum noch aus der Windschutzscheibe gucken konnte. Die ersten Programmhefte wurden jetzt voller Elan am PC selbst gestaltet.

Andererseits kommen und gehen damals die Berater aus Partnergemeinden in NRW, Strukturen werden erdacht und verworfen, Lehrer über Nacht umgesetzt, bis nur noch Beer und seine Sekretärin übrig sind. In den neuen Zeiten wurde Bildung, so empfand es Erhard Beer manchmal, nur noch als Ware verstanden. Die Folgen machen sich auch bei ihm bemerkbar: nach einer Herzattacke musste er vier Wochen lang die Geschäfte der VHS vom Krankenbett der Staakener Klinik aus führen.

Die Zeit war für die VHS zudem von vielen Umzügen geprägt: von den Baracken der heutigen Europaschule ging es ins jetzige Lise-Meitner-Gymnasium; von dort in einen gemieteten Bau in der Henkelstraße; schließlich 2004 in den Neubau an der Poststraße. Dennoch: Bei allem Wandel ging es auch voran. Die VHS etablierte sich in der Nachwende-Weiterbildungslandschaft als wichtige kommunale Einrichtung, überstand auch Kreisreform und Fusion zur Musik-, Kunst- und Volkshochschule weitgehend unbeschadet.

2003 erreichte die VHS die Höchstmarke von 14.150 durchgeführten Unterrichtsstunden mit 4.800 Belegungen. Diese unübertroffenen Werte der „Beer-Ära“ konnten die Nachfolger erst ein Jahrzehnt später wieder einholen. Bleibend sind aber in Erhard Beers Gefühl ohnehin eher die menschlichen Momente: dass eine Atmosphäre gemeinsamen Lernens, ein positives Miteinander geschaffen wurde, an das sich auch über ein Jahrzehnt später die Menschen noch gerne erinnern.

Dabei sind glückliche Bildungs-Momente für Beer nicht nur Erinnerung - etwa, dass der eigene Sohn bei ihm am Zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und dort die künftige Schwiegertochter kennen gelernt hat. Auch die nächste Generation begegnete unlängst noch dem Lehrer Beer: als in der Gymnasial-Klasse der Enkelin krankheitshalber der Matheunterricht ausfiel, ließ er sich als Vertreter einspannen.

Aber auch ohne Lehrtätigkeit wird dem dreifachen Vater und Großvater nicht langweilig. Haus und Grundstück müssen in Schuss gehalten werden - das meiste ist von eigener Hand gebaut und gestaltet: „Hier kenne ich jeden Nagel.“ Daneben drechselt Erhard Beer kleine Kostbarkeiten aus Holz trifft sich nach 60 Jahren wieder regelmäßig mit einem gleichaltrigen Schulfreund zum gemeinsamen Musizieren. Wenn man ihn anruft, könnte er sich also auch heute noch, wie historisch überliefert, mit den Worten melden: „Hier brummt der Beer.“

Dr. Frank Dittmer